Die in Salem lebende und seit dem Kunststudium auch in München bestens vernetzte Künstlerin Carla Chlebarov will mit ihren Arbeiten die Menschen erreichen und etwas in ihnen auslösen. Farbige und
mehrschichtige Statements mit emotionaler Tiefenwirkung, Bewegtes über ruhenden Farbfeldern, Prozesse der intensiven Auseinandersetzung: all das kann man in ihrem Werk sehen und nachfühlen wie
auch die Energie des Entstehungsprozesses.
Ihr Ausstellungstitel „Im All der Farbe“ trifft den Punkt sehr genau, denn Carla Chlebarov breitet in der Galerie im Science Park einen ganzen Farbkosmos aus. Während sie sich bei einer
Doppelausstellung in der Galerie im Kornhauskeller vor drei Jahren noch begrenzen musste, zieht sie nun auch räumlich alle Register und trumpft auf drei Etagen auf – unter anderem mit gewaltigen
Großformaten, wie etwa dem mehr als vier Meter breiten Öl-Gemälde „Old Boy“, in das sich der Betrachter geradezu fallen lassen kann. „Über die Faszination, auf dem Weg des Visuellen das Wesen der
Dinge zu erfassen, kam ich zeichnend zum Studium der Malerei“, erklärt die Künstlerin ihre ersten künstlerischen Impulse. Carla Chlebarov, die an der Akademie der bildenden Künste München
studierte, wurde dort Meisterschülerin und konnte bei Professor Hermann Nitsch tief in die „gestische Aktionsmalerei“ eintauchen. Von Nitsch, dem sie später assistierte, sollte sie sehr geprägt
werden. Sie malte zehn Jahre lang informell, doch auch gerade wegen der intensiven Arbeit im Actionpainting wurde ihr bewusst, dass „die Wirkung der puren Gestik zur Ohnmacht und Farbtrübung
führte“. Ein Missverständnis sei es, zu glauben, Wildheit sei gleichzusetzen mit Freiheit.
Nach Farbschüttungen und -eruptionen versuchte sie andere Spannungsfelder aufzubauen – klare und monochrome Farbflächen in ihren Lounges im scharfen Kontrast zu pulsierender Farbenpracht und
Expressivem, „Colorfields“ unterschiedlichster Ausprägung. Noch immer schöpft die auf Norderney geborene Malerin, die zu den ersten Künstlern in den Domagk-Ateliers in München gehörte und auch
von der wilden Zeit in der „Kolonie der Kreativen“ sehr geprägt wurde, aus dem Expressionismus und aus der Kraftquelle der Abstraktion. In ihren neueren Arbeiten wirken die Schichtungsprozesse
geradezu durchsichtig. Die Tiefe und zarte Bruchstellen verbergen sich hier im Pergamenthaften.
Ihren Mut zu provozierenden Disharmonien der Farben und einer Reibung in der Hängung von ungleichen Paaren hat Carla Chlebarov nie eingebüßt. Auch Trash darf in ihrer Welt eine gewichtige Rolle
spielen. Dann wird ihr Lächeln zum gewitzten Grinsen.
Fast alles darf sein. Sie hat in den vergangenen Jahren viel experimentiert, die Nähe zur grafischen Arbeit gesucht, sich auf rechnergesteuerte Lasertechnik eingelassen, schlicht gezeichnet oder
mit Farben gespritzt und geworfen. Meist allerdings malte und malt sie mit Ölfarben auf Leinen und Nessel und das bisweilen mit urgewaltigem Sog. Einige ihrer Arbeiten befinden sich in
internationalem Privatbesitz, im Max-Planck-Institut und in der Bayerischen Staatsgalerie Moderner Kunst München. Und 37 ihrer Arbeiten befinden sich nun auf Zeit in der Galerie im Science Park.
„Carla Chlebarov gehört für mich zu den besten, lebenden, gestischen Malerinnen. Ihre Bilder sind für mich vollgesogen mit Weihrauch und einer schweren, alten, gärenden Honigsüße. Sie haben Ernst
und Heiterkeit von Messkleidern“, hat ihr großer Lehrmeister Hermann Nitsch über ihr Werk gesagt. Dem ist absolut nichts hinzuzufügen.
Galerie im Science Park, 2015