Carla Chlebarov zeigt in der Ausstellung „Geht's noch“ erstmals 19 bisher verborgene Gemälde
Sind meine Bilder zu gewagt oder gar anstößig? Mit dieser Frage hat sich Carla Chlebarov lange beschäftigt und ihre Werke aus ihren wilden 1990er Jahren, wie sie diese bezeichnet, bisher in der
Garage im Verborgenen gehalten. Nun hat sie sich endlich einen Ruck gegeben, diese an die Öffentlichkeit zu bringen, in der Friedrichshafener Galerie Kleiner Berg von Uwe Petrowitz. Dennoch sind
die Gemälde für die Salemer Kunstmalerin Randerscheinungen, weil sie figürlich sind und nicht in ihren sonstigen Stil passen. Das ist umso interessanter, zeigen diese damit doch eine völlig
andere Seite der Malerin.
„Ich habe die Büchse der Pandora geöffnet“, gesteht sie scherzhaft zu ihrer teilweisen erotisch-frivolen Malerei. Da der Fokus in der Malerei zuallererst auf Farbe, Form und Fläche liegt, sind
diese wegen ihrer Ausstrahlung und der leuchtenden, vitalen Farbkompositionen vorrangig. Damit zeigt Carla Chlebarov einmal mehr, wie sehr sie die Farbe liebt. Durch seine deftige Prise Humor
verleiht der Titel „Fickichicken“ der Abbildung zudem einen satirischen Anstrich. Das sei vielleicht auch eine Art Verarbeitung ihres damaligen Männerbildes, meint Chlebarov, die die Frauen oft
als Sexobjekte herabstufen. Des Weiteren zeigt sie – die meistens informell, abstrakt oder gegenstandslos arbeitet – Porträts, Akte, und Fantasien. Viele der Gemälde sind 1996 in der Domagkstraße
in München entstanden, wo die Kunstmalerin einige Jahre lebte.
„Naked Lunch“ zeigt eine liegende Frau, über der sich ein Wolkengewitter entlädt. „Da stürmt was auf sie ein“, interpretiert Chlebarov das emotionale Bild. Es zählt zu jenen Arbeiten, die durch
Actionpainting entstanden sind – eine Maltechnik, die jenseits von bewusster Beeinflussung durch den Künstler ihre Kraft erhält. Daher besteht keine Komposition im Sinne eines geplanten
Bildaufbaus.
„Nitschenergiedepot“ demonstriert einerseits Macht durch das Spiel mit Hell und Dunkel, das Rosarot signalisiert andererseits Fleischeslust. Wild, emotional und sehr energetisch hat Carla
Chlebarov auch den „Kammerjäger“ zum Leben erweckt, der eine spritzende Blutspur auslöst. „,Thilo hat was Sanftes und steht im ausgleichenden Gegensatz zu den anderen, heftigen Bildern“, erklärt
Chlebarov. Das zeigt auch das gute Gespür der Künstlerin, die aushängenden Gemälde in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Der Betrachter wird so von den 160 x 145 Zentimetern messenden
Bildern nicht wie mit der Keule getroffen. Das größte Gemälde im Format 190 x 160 Zentimeter ist ein stark verfremdetes Porträt ihres Mannes und begrüßt den Besucher beim Hereinkommen. Beim
Entstehen von „Plumperquatsch“ saß Carla Chlebarov der Schalk im Nacken. Zuerst spritzte sie Farbe aufs Papier. In dem Spritzer erkannte sie ein Wesen und arbeitete es heraus, einen „Sprengkopf“.
„Der gehört zu meinem normalen Repertoire“, berichtet sie. Er zeigt deutliche Anklänge an ihre Arbeit als Assistentin beim renommierten Künstler Hermann Nitsch.
Auch die männlichen und weiblichen Akte passen zum Ausstellungsmotto „Geht's noch“, wie auch die witzigen farbigen Fantasien, zum Beispiel eine Madame mit einer Riesenstirn – Marge Simpson lässt
grüßen – oder die blinde Micky Maus mit einem großen fetten Vogel. „Solche Sachen entstehen im Atelier“, erklärt Carla Chlebarov. Unbewusst habe sich dadurch eine Linie entwickelt, resümiert sie,
von Dingen, die sie sonst nie zeigen würde. Auf die Frage „Geht's noch?“ gibt es nur eine Antwort: Und wie das geht!
Elfi Braschel (Südkurier), 12.2.2016