EINLEITUNG
Es gibt Bilder von Carla Chlebarov, die entwaffnen (F. B.Weißhaar)
Diesen Satz muss man so stehenlassen, weil man ihn nicht begründen will oder auch nicht begründen kann. Dennoch ist es erlaubt, nachzufragen, was Carla Chlebarov selber über ihre Farben und
Bilder zu verraten bereit ist. Dazu war auf einem Infoblatt aus dem Jahr 2013 das Folgende zu finden:
Neugierde auf die substanzhaftigkeit der Farbe, ihren Geruch und ihre Empfindung, bringt durch Verbindung von Aktions- und Farbfeldmalerei spannende Gegensätze hervor. (www.chlebarov.de)
Dieser Text liefert zwar kein Bekenntnis über ihre Person oder ihre Malerei selbst oder Bildinhalte oder gar Erklärungen zu Bildqualitäten. Aber er differenziert zwischen geplanter FELDMALEREI
und ‚ACTION-PAINTING’. Obendrein wird die ‚EMPFINDUNG’ genannt, welche von Farben in der Malerin oder im Beschauer von Bildern ausgelöst werden kann.
Gerade zur Empfindung ist in Goethes Farbenlehre Aufschlussreiches zu lesen, nämlich im ‚Didaktischen Theil, Sechste Abtheilung’:
Sinnlich-sittliche Wirkung der Farbe
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Die Menschen empfinden im Allgemeinen eine große Freude an der Farbe. Das Auge bedarf ihrer, wie es des Lichtes bedarf. Man erinnere sich der Erquickung, wenn an einem trüben Tage die Sonne auf
einen einzelnen Theil der Gegend scheint und die Farben daselbst sichtbar macht. Dass man den farbigen Edelsteinen HEILKRÄFTE zuschrieb, mag aus dem tiefen Gefühl dieses unaussprechlichen
Behagens entstanden seyn.
Tatsächlich gibt es in Carla Chlebarovs Oeuvre Bilder, denen auch ‚FARBFELDMALEREI’ – wie sie es nennt – zugrunde liegt, z.B. „Komposition mit Gelb“ (8) oder „Durchblick“ (9) oder „Red Dot 2“ (5)
oder auch „Kombination I“ (10). Aber alle tragen über einer flächigen Grundanlage Spuren einer unmittelbaren oder späteren „Überarbeitung“, die bedachtsam oder dynamisch erfolgte, jedoch nicht
als Korrektur, sondern als bewusster Farbauftrag – pastos, träufelnd, als Pinselwisch oder gekratzt (‚action painting’).
Dennoch ist man mitunter auch dankbar für nicht abstrakte Bilder, die schlichte Einblicke in den Malereialltag gewähren: So die Atelierbilder „Stillleben im Atelier“ (30), „Atelier I“ (2) und
„Atelierstillleben“ (1). Da sind in Gläsern eingetrocknete Farben und Grundierkreide, Notizblätter mit Farbklecksen und angefangene blaugrundierte Leinwände zu sehen. Manchmal ist für Carla
Chlebarov sogar ihr Atelier würdig, von ihr gemalt zu werden.
BILDERTITEL
Carla Chlebarovs Bildbenennungen – wie ernst sind sie wirklich gemeint? Eher unbekümmert scheinen sie hingeschrieben zu sein. Oder doch nicht? Also Vorsicht!
Man sollte sich nicht zu subjektiven Fehldeutungen verführen lassen. „Milkiway“ (25) – Milchstraße, ein sehr großes Bild. Sind es kosmische Welten, die die Malerin beschwört, oder milchweiße
Chiffren auf phantastischen goldgelben Figuren, die an alte Sternkarten erinnern? Der Betrachter ist gefragt, was er sieht.
ECKDATEN
Zum 19. September 2014 lud Carla Chlebarov mit einer Farbpostkarte von unerhörter Dynamik der Farben in die Galerie „Café Käthe“/ München ein. Hier zeigte sie mit dem Bild „Im Hamsterrad“ gemalte
Dynamik einer verzweifelten Wut über das Erkennen von Ausweglosigkeit im Dauerlauf, die nur mit diesem harmlosen Bildtitel erschöpfend beschrieben werden kann. Die Farbe Schwarz erschließt in
diesem Bild bei der Malerin eine Dimension der Farbkraft-Steigerung seit 2013 (21).
Im Mai 2015 zeigte Carla Chlebarov ein völlig anders geartetes Bild in „WCM OPEN 15“ in Heidenheim (Brenz), das sie „Moorblumen 3“ (23) titelt und aus akribisch pastoser Detailliebe zur Freude
der Betrachtenden erblühen ließ. Auch hier erzielt der Einsatz der Farbe Schwarz eine Steigerung der Farbenleuchtkraft, eine Wirkung wie in mittelalterlichen Farbglasfenstern der
Kathedralen.
Auch das Bild „Prinz“ (5), zählt zu den Arbeiten, die sich aus vielen Einzelbildern verschränken, aber zusammen als schlüssige Farbkomposition festlich und überzeugend präsentieren.
Völlig außer der Reihe wirkt das Bild „Stilleben die Heizung“ (13); es nimmt durch die pointilistische Malweise eine Sonderstellung unter den übrigen Exponaten ein und besitzt die sakrale
Ausstrahlung eines orientalischen Kelims, der durch sein textiles Sosein Geborgenheit in einem Heiligkeit beanspruchenden Gehäuse vermittelt.
VERHÜLLTE BOTSCHAFT DER BILDER
In den 90er Jahren des letztvergangenen Jahrhunderts, als Carla Chlebarov im Münchner Klinikum Groß Hardern eine Einzelausstellung zeigte, versuchte ich, in meiner Funktion als Laudator die
„messages“ von Bildern als verschlüsselte Botschaften zu erklären, die im Bild selbst oder in seiner Präsentation oder in der Dynamik der Bildwerdung zu finden sind.
Damals hieß das Zauberwort der Kuratoren in der Presse: The medium is the message.
Ja, der Prozess der Gestaltwerdung eines Kunstwerkes enthält auch die Botschaft des Bildes. Solches bedenkend, sagte ich, kommen wir am ehesten an die Bilder von Carla Chlebarov heran und nähern
uns dem, was sie uns damit sagen will.
In der Zeit, als Carla Chlebarov Studentin in meiner Akademieklasse war, nahm sie in den Semesterferien an Aktionen von Prof. Hermann Nitsch in Salzburg teil. Während planerische Flächenmalerei
in unserer Klasse zum Pensum gehörte, kannte ihr Arbeitswille und Tätigkeitsdrang keine Grenzen. 1987 war sie Assistentin für Filmausstattung bei Bavaria-Film gewesen. 1990/1991 entstand im
Verlauf eines Studienaufenthalts in USA bemalte glasierte Keramik. 1992 nahm sie eine Studienmöglichkeit in Mexico wahr. Sie schulte sich auch in grafischen Techniken. 1994 wurde sie zur
Meisterschülerin ernannt und erhielt auf meinen Vorschlag hin durch das Professorenkollegium das Diplom der Akademie der Bildenden Künste in München.
Seither ist sie mit Münchner Galerien vernetzt und kennt durch ihren Wohnort in Salem am Bodensee zahlreiche Ausstellungshäuser in Baden-Württemberg, von denen sie häufig und gerne zu
Ausstellungen eingeladen wird.
WÜRDIGUNG
Die zahlreichen Ausstellungen in Galerien in Baden-Württemberg, Rheinland/Pfalz und Bayern zeigen, wie Carla Chlebarov sich in der aktuellen Kunstszene präsentiert, behauptet und Aufsehen erregt.
Im aktuellen Ausstellungskatalog werden einige Werke der Malerin ausdrücklich besprochen und es wird versucht, sowohl auf die meditativen Kräfte der Künstlerin wie auf ihr exploratives und
explosives Temperament in der Malerei hinzuweisen und schließlich die rationale Farbsetzung sowie ihre spontanen gestischen Überformungen von Bildkompositionen mit ihrem Sensorium für aufregende
Farbkontraste und aleatorische graphische Überzeichnungen zu erklären. Von Carla Chlebarov wird künftig mit Überraschungen zu rechnen sein, auf die wir guten Mutes hoffen können.
Landsberg, den 19. Mai 2016
Prof. Franz Bernhard Weißhaar
Akademie der bildenden Künste, München